Unordnung? Auf einer Wiese? Die Bäume nicht in Reih und Glied und am Ende nicht im Abstand von 10 Metern von Stamm zu Stamm, wie es in Hessen nach den Föderrichtlinienen von HALM 2 vorgeschrieben ist? Am Ende sogar noch eine Hecke mittendrin, die beim Mähen im Weg steht und sich das Viehzeug darin befindet? Am Ende fördert ihr sogar noch solche Arten wie den Gartenschläfer, der dann das ganze Obst wegfrisst?
Mmmmh, ja?
So oder so ähnlich laufen viele Gespräche ab, die wir so führen. Ja, Streuobstwiesen sind menschengemachte Lebensräume. Sie gehören zur Kulturlandschaft und sind unglaublich wertvoll. Früher waren sie dazu da, dass die Besitzer auch Obst hatten, vor allem aber Heu für die Kühe und andere Tiere gemacht werden konnte. Die Parzellen waren klein und als Grundstücksbegrenzungen fungierten häufig Hecken. Eine wunderbare, klein parzellierte und reich strukturierte Kulturlandschaft mit vielen Nischen für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten! Und heute? Die Schläge werden immer größer und der Mensch räumt gerne auf. Oder gibt die Flächen ganz auf und sie werden Acker oder werden versiegelt. Das alles hat Folgen. Abgesehen vom Lebensraumverlust, schauen wir uns mal den Klimwandel an: Heute einen Obstbaum über die ersten 20 Jahre zu bekommen ist fast eine kleine Kunst geworden. Bis 2022 hatten wir ab Februar regelmäßig zu niedrige Niederschläge und so dörrten Bäume in der Hitze und starkem Sonnenschein. 2023 und 2024 waren dagegen sehr nass und die jungen Bäume verfaulten im verdichteten Boden an den Wurzeln. Ruckizucki kommen dann Krankheiten in die Bestände und der Stress für Bäume und Besitzer geht erst so richtig los. Wollen wir hier jemanden „bekehren“? Nein, dafür haben wir weder Zeit noch Muse. Wenn Du aber diese Seite besuchst kannst du weiterlesen oder wieder gehen. Ist beides in Ordnung.
Ok, aber was hat das nun mit Unordnung zu tun?
Eigentlich recht einfach. Nehmen wir statt dem Wort „Unordnung“ mal den Begriff „wohl strukturiert“. Reiche Strukturen sind Hecken, Steinhaufen, Totholzhaufen, die Bäume und Sträucher auch so, dass diese sich gegenseitig Schatten spenden und gegenseitig vor Wind schützen. Auf diesen Flächen herrscht ein besseres Gleichgewicht der Arten in den verschiedenen „Etagenwohnungen“ einer Wiese.
Was meinen wir damit?
Nehmen wir mal die klassische „Schachbrett-Streuobstwiese“, wo weit und Breit nichts anderes als in Reihe gepflanzte Obstbäume anzutreffen sind. Diese Wiesen sind oft wahre Wühlmaushochburgen, da sich hier kaum Bodenjäger, wie Mauswiesel, aufhalten, da diese nur bis zu 15 Metern aus der Deckung gehen. Bleibt also die Hoffnung auf Greifvögel, die es nun richten sollen….. Da müsste der Himmel voller Vögel sein, damit die dasselbe Ergebnis erreichen wie die Summe der sonst in einer intakten Umwelt vorhanden Jäger. Dazu kommt: Vögel jagen nur über der Erde und die Wühlmaus verbringt wo ihr Leben? Wir denken jetzt mal zusammen scharf nach…. Aber mal ohne Polemik dabei: Ein Mauswiesel vertilgt 1 – 2 Wühlmäuse am Tag und bei einer ganzen Familie kommen da zwischen 50 – 100 Mäuse in der Woche zusammen, wobei sich die Populationen von Jägern und Jagdtieren immer wieder gut selber regulieren.
Gehen wir mal von unter der Erde auf die Ebene der Insekten. Die „Schachbrettwiese“ wird fast immer auf einen Schlag gemäht und viele standorttypische Blütenpflanzen kommen kaum noch dazu ihre Samen abzuwerfen: Es wird oft früh und mehrmals im Jahr gemäht und so wird eine Wiese Jahr für Jahr ein klein wenig ärmer an (Blüh-) Pflanzen. Damit finden Insekten von Frühjahr bis zum Herbst immer weniger Nahrung.
Kleine Zwischengeschichte: Wir hatten über Jahre Bienenstöcke eines Imkers auf der Wiese, bis dieser fort zog. Dieser hatte seine Bienen davor im Woogtal in Königstein stehen, wo ihm die armen Tiere fast verhungert wären. Wer das Tal mit den Wiesen kennt, wird sich im ersten Moment auch sehr über diese Aussage wundern. Aber behaltet es mal im Hinterkopf und lauft im nächsten Sommer / Herbst mit wachen Augen durch die Kulturlandschaft.
So wird schwupp die Wupp auch hier die Diversität geringer und damit werden – in größeren Zusammenhängen gedacht – auch die Ökosysteme anfälliger für Störungen.
Ab einem bestimmten Punkt neigen dann Systeme immer schneller zum kippen und auch im Kleinen, auf unseren Streuobstwiesen, nehmen die Tier- und Pflanzenarten, die der Mensch eigentlich auf der Wiese haben möchte, ab – weil das Umfeld für sie einfach nicht mehr stimmt.
Wenn man jedoch in dieser Ordnung immer wieder Inseln der scheinbaren Unordnung belässt, so bleiben Ökosysteme stabiler und auch unsere Kulturlandschaft bietet so eine Vielzahl von unterschiedlichsten Lebensräumen. Der Einsatz von Giften und Spritzmitteln ist fast nie nötig und die Vielfalt an Bestäubern ist viel höher.
Ach Bestäubung, da war ja noch was….. Die verschiedenen Arten haben auch ganz unterschiedliche Zeiten und Ansprüche, wann sie aktiv werden im Jahr. Die Honigbiene haben wir alle auf dem Schirm, aber die wahre Arbeit wird oft von den Wildinsekten gemacht, die nur wenig Chance auf dem „Schachbrett“ haben und dann wundern wir uns wieder über Ernten, die wenig üppig ausfallen.
Und was ist nun mit den Tieren, die sich so bei euch rumtreiben?
Stellen wir mal die Frage anders herum: Habt ihr schon mal eine Wildkamera auf eurer Wiese aufgestellt und euch angeschaut, was sich da so alles tummelt? Haben wir gemacht. Rehe, Schwarzwild, sich sonnende Füchse und auch Waschbären fühlen sich bei uns wohl. Dazu eine Vielzahl von Vogelarten. Auf den einen oder anderen eingewanderten Kameraden könnten wir verzichten, aber die Menschheit hat ihn nunmal eingeschleppt.
Auch haben wir Gartenschläfer bei uns ausgewildert, die von Stefanie Kruse in ihrer Wildtierstation aufgezogen bzw. gesund gepflegt wurden. Ja genau, diese kleinen Schlafmäuse mit Zorromaske, die die Früchte immer anfressen. Aber mal ganz im Ernst. Diese Tiere sind bei uns heimisch und gehören zur Fauna wie Hase, Reh und Co. Das Spiel von fressen und gefressen werden ist älter als die Menschheit und je vielfältiger und besser das Ganze im Gleichgewicht war, desto harmonischer war auch das Ergebnis am Ende.
Immer dann, wenn der Mensch glaubt, dass er es besser kann als die Natur, dann kommen komische Dinge dabei rum. Vielleicht ist es besser, wenn man sich die Dinge von der Natur an- und abschaut und sich dann an dem erfreut, was dabei rumkommt. Es sind auch mal Fehlschläge dabei, aber so ist das Leben eben. Man muss halt bereit sein von dem Abzukommen, was zu nichts führt.
In diesem Sinne – viel Spaß dort draußen.


Ein wichtiges Plädoyer dafür der Natur freien Lauf zu lassen!Da kann man nur hoffen, dass es an verantwortlicher Stelle gelesen wird!